Die Grenzgänger

Es spielte ein Graf mit seiner Magd

Es spielte ein Graf mit seiner Magd
sie spielten alle beide
bis das der helle Morgen anbrach
da fing sie an zu weinen

Weine doch nicht mein Mägdelein
die Ehre die will ich bezahlen
Ich will dir geben den Reiterknecht mein
dazu zwölfhundert Taler

Den Reiterknecht dein, den mag ich nicht
Ich will den Herren selber
Wenn ich den Herren selber nicht krieg
Will ich zu meiner Mutter

Ach Mutter, liebe Mutter mein
Mach mir ein Bett von Seiden
Mach mir es rein, mach es mir fein
Den Tod will ich drauf leiden

Ach Tochter, liebe Tochter mein
wie ist es dir gegangen
daß dir der Rock ist vorne so kurz
und hinten viel zu lange

Ach Mutter, liebe Mutter mein
das will ich dir wohl sagen
Ich hab geschlafen bei einem Grafen
Ein Kind muss ich tragen

Ach Tochter, liebe Tochter mein
das wollen wir schon machen
Wenn du’s bei Tag oder Nacht gebärst
tragen wir’s Kind ins Wasser

Ach Mutter, liebe Mutter mein
das gibt uns eine Schande
Wenn das der junge Markgraf erfährt
der jagt uns aus dem Lande

Und als es nun gegen Mitternacht kam
Dem Grafen träumt so schwere
Gerade als ob sein junges Lieb
Im Kindbett gestorben wäre

Ach, allerliebster Reiterknecht mein
sattel uns Pferde und Wagen
wir wollen reiten Tag und bei Nacht
bis wir den Traum erfahren

Als sie dann über die Heid kamen
hörten sie ein Glöcklein läuten
Großer Gott vom Himmel herab
was mag dies bedeuten

Und als sie vor die Stadt Augsburg kamen
wohl vor die hohen Tore
brachten sie eine Leiche getragen
auf einer Totenbahre

Setzet nun ab ihr Träger mein
die Leiche will ich beschauen
ist sie vielleicht mein Herzallerlieb
Mit den schwarzbraunen Augen

Macht mir dann ein tiefes Grab
wohl zwischen Stein und Mauern
Es soll mein herzallerliebster Schatz
in meinen Armen verfaulen

Man legte den Graf zu ihr in den Sarg
begrub sie unter die Linden
Es stund an kein halbes, dreiviertel Jahr
da wuchsen darauf drei Lilien

Verfasser unbekannt, vielfach mündlich überlieferte Ballade aus dem 16. Jahrhundert oder älter, die vor dem Hintergrund des „Jus Primae Noctis“ (Recht der ersten Nacht) von einem Drama erzählt, das nicht wenigen jungen Frauen widerfahren sein wird.