Die Grenzgänger

Wer will mit uns nach Rußland ziehn

Wer will mit uns nach Rußland ziehn
Soll sich machen fahrbereit
Denn der Kaiser hat geschrieben
Daß er Deutsche haben will

Rußland ist eine schöne Gegend
Rußland ist ein schöner Ort
Grund und Boden auf uns wartet
Freies Land wir finden dort.
Kürbis’ wachsen auf den Feldern
Sind so groß fast wie ein Haus
Sät man Körner in die Erde
Wachsen siebenfach sie draus.

Laßt uns gleich auf Rußland ziehen
Denn es ist schon hohe Zeit
Weil es ist schon da der Frühling
Und der Sommer nicht mehr weit.

Angekommen an der Grenze
Kriegt man Paß und Reisegeld
Kriegt, am Orte angekommen
Auch ein Haus und ein Stück Feld.
Und wir brauchen nicht Soldaten
Für den Kaiser geben her
Zehn Jahre sind wir frei von Gaben
Zahlen keine Steuern her

Rußland ist eine schöne Gegend
Rußland ist ein schöner Ort
Auch für Schreiber und Advokaten
Denn die gibt es viele dort

Auch der Sand tut hier nichts kosten
Denn er liegt gleich vor der Tür
Wenn man nur das Fenster öffnet
Trägt der Wind ihn auf’s Papier.

Aus dem Deutschen Volksliedarchiv (Nr. 195.364). Als Herkunftsort des Liedes wird dort die Gegend von Odessa in der Südukraine angegeben. Aufgezeichnet wurde der Text im Herbst 1941. Da die Melodie nicht mitaufgezeichnet wurde, haben zwei Teilnehmerinnen der Revue „Damals wir – heute Ihr“ eine eigene Melodie dazu komponiert. Die Auswanderung von Deutschen nach Rußland geht viel weiter zurück als die nach Amerika. Schon Katharina die Große (selbst eine Deutsche) rief ihre Landsleute auf, ihr zu folgen. Viele Schwaben, insbesondere Angehörige der Religionsgruppe der Mennoniten, folgten ihrem Ruf, da sie in Rußland von Steuern und Militärdienst befreit waren. Als ein späterer Zar das änderte, wanderten viele weiter nach Amerika.